Goldisthal. Weißer Rauch dringt aus dem Portal des knapp 1,5 Kilometer langen Fleckbergtunnels. Als die ersten Einsatzkräfte am Sonnabend ihre Atemschutzgeräte angelegt haben, kommen ihnen schreiende, verletzte oder geschockte Menschen entgegen. Im Tunnel nimmt der Rauch zu. Trotz der großen Portale ist es stockdunkel. Die Feuerwehrleute bewegen sich mit schwerer Ausrüstung, Leuchten und Taststöcken vorwärts. Sie klettern mühsam in den ICE, der im Tunnel liegengeblieben ist. In den dunklen Waggons liegen Verletzte, manche schreien, fragen nach Angehörigen und sorgen so für zusätzlichen Stress bei den Rettern. Diese bewegen sich selbst am Rande der Leistungsfähigkeit in den engen Gängen. Zum Glück ist der Einsatz „nur“ eine Übung.
14 Monate haben Marc Stielow, der im Thüringer Innenministerium für die Gefahrenabwehr an der neuen ICE-Strecke zuständig ist und Christian Patze als Übungsleiter sowie weitere Mitarbeiter vom Amt für Brand- und Katastrophenschutz im Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt die Übung vorbereitet. Weit über 1000 Einsatzkräfte von Feuerwehren, Rettungsdiensten, Polizei, Bergwacht und Katastrophenschutz waren am Sonnabend am Übungsgeschehen beteiligt. Das Szenario war dramatisch: ein ICE mit mehr als 300 Personen an Bord bleibt nach einem Brand in einem Waggon mitten im Fleckbergtunnel stehen. Statisten mimen die Zuginsassen, manche sind eigens von einem Schminktrupp mit künstlichen Verletzungen versehen worden.
Es soll nicht nur die Rettung und Bergung von Personen aus dem Zug geübt werden, sondern auch die Versorgung und der Transport von Verletzten in die umliegenden Krankenhäuser. „Es ist die größte Übung, die wir bisher durchgeführt haben“, sagte Innenstaatssekretär Udo Götze zur Begrüßung von Medienvertretern im ehemaligen Bahn-Infozentrum in Goldisthal. Neben 80 Schiedsrichtern aus dem gesamten Bundesgebiet wird die Übung wissenschaftlich begleitet, um Erkenntnisse für alle Eisenbahntunnel nutzen zu können.
Die örtlichen Besonderheiten sind eine Herausforderung für alle Beteiligten. Die Anfahrtswege zur Strecke sind lang, die Rettungsplätze relativ schnell mit Fahrzeugen besetzt. Zusätzlich stellen die Statisten die Helfer für immer neue Herausforderungen – wie es wohl bei einem Unglück mit einem vollbesetzten ICE auch der Fall wäre. So verschwinden einige der Zuginsassen, die aus eigener Kraft den Tunnel verlassen konnten auf eigene Faust im Wald. Andere spielen verzweifelte Familienangehörige, die ihre Verwandten suchen und die Retter bedrängen. Die Stimmung im Tunnel ist unheimlich, selbst mit dem Wissen, dass hier nur geübt wird. Eine erste Bilanz zog Stielow am frühen Nachmittag. Dennoch hätten sich auch einige Probleme gezeigt, die in den kommenden Wochen ausgewertet werden.
„Ich möchte mich bei allen Helfern sehr herzlich für Ihren großartigen Einsatz bei der Übung am Fleckbergtunnel bedanken! Ich konnte mich selbst vor Ort davon überzeugen, welche Höchstleistungen Sie erbracht haben. Mein großer Respekt gilt besonders den Feuerwehrleuten, die unter Atemschutz im vernebelten Tunnel und im engen Zug die Rettung und Bergung von Menschen geübt haben. Obwohl es zum Glück „nur“ eine Übung war, bekam man einen Eindruck davon, welche extremen Belastungen Sie aushalten müssen“, sagte Landrat Marko Wolfram anerkennend. „Mein Dank gilt allen ehrenamtlichen eigenen Helfern, aber auch den Einsatzkräften aus 15 Landkreisen und kreisfreien Städten, den Krankenhäusern und den vielen unterstützenden Behörden, Ämtern und Betrieben, welche die Übung erst möglich gemacht haben.“
Peter Lahann
Presse- und Kulturamt