Königsee-Rottenbach. Dreierlei-Tropfen, Melissengeist oder Hingfong-Essenz sind vielen Menschen ein Begriff. Die traditionsreichen Arzneimittel werden seit 1906 bei Hofmann & Sommer in Königsee hergestellt. Seit der Reprivatisierung 1993 ist aus dem kleinen Arzneimittelhersteller ein mittelständisches Pharmazie-Unternehmen mit mehr als neun Millionen Euro Jahresumsatz geworden. Allein 16.000 Rezepte für Naturheilmittel werden in Königsee gehütet. Demnächst wird sogar Fenchelhonig als natürliches Hustenmittel in den arabischen Raum geliefert. Am Donnerstag besuchte Landrat Marko Wolfram das Unternehmen.
Eigentümer und Geschäftsführer Dr. Ernst-Josef Strätling hatte Wolfram eingeladen und stellte zusammen mit Prokurist Ronald Ring, Finanzchef Hennes Macholdt und Geschäftsführer der Tochterfirma ABO & PAINEX Pharma, Marco Waschkowski, die wechselvolle Firmengeschichte vor. Dabei ist die Behauptung am wettbewerbsintensiven Gesundheitsmarkt ein dauernder Kampf von David gegen Goliath. Denn die immer höheren Auflagen für die Zulassung von Arzneimitteln sind für Produzenten von kleinen, speziellen Mitteln kaum noch zu erfüllen.
„Wir haben allein zwei Jahre gekämpft, bis wir den Namen verwenden durften“, berichtet Dr. Strätling. Mit zehn Mitarbeitern und nur wenigen Zulassungen begann 1993 Produktion. Dank geschickter Zukäufe und der Ausweitung der Angebotspalette entwickelte sich das Unternehmen erfolgreich, der Umsatz wuchs jährlich um durchschnittlich 12 Prozent. Inzwischen werden neben den traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln auch homöopathische Zubereitungen, Kosmetika, medizinische Bäder, Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel hergestellt.
Allein die Homöopathie trägt mit sieben Mitarbeitern rund 1,5 Millionen Euro zum Jahresumsatz bei. Für den Erfolg sind hohe Flexibilität und Schnelligkeit entscheidend. Gibt ein Patient sein Rezept vom Heilpraktiker in der Apotheke ab, ruft diese in Königsee an, spätestens nach zwei Tagen kann der Kunde die heilende Mixtur in Empfang nehmen. „Wir verschicken täglich etwa 120 Päckchen mit individuell hergestellten Heilmitteln“, erklärt Marco Waschkowski, der für diesen Unternehmensteil zuständig ist. Durchschnittlich 10 bis 12 natürliche Stoffe werden in einer Rezeptur gemischt, um Beschwerden von Heuschnupfen bis Sodbrennen zu lindern.
Bei den eigenen Zulassungen ist die Produktionsmenge naturgemäß höher. „Wir füllen etwa 8.000 bis 10.000 Fläschchen mit Dreierlei-Tropfen oder Hingfong-Tinktur pro Schicht ab“, berichtet Ronald Ring. Rund 2 Millionen sind es allein am Standort in Königsee jährlich. Etwa 70 Prozent seines Umsatzes erzielt Hofmann & Sommer mit den fünf erfolgreichsten Arzneimitteln. Für Produkte mit größeren Mengeneinheiten, wie Franzbranntwein oder Badezusätze, wurde zunächst ein Berliner Unternehmen gekauft, inzwischen wird an einem weiteren Standort in Pößneck produziert, wo sich auch das Logistikzentrum mit Hochregallager befindet. Auch die Lohnfertigung für große Hersteller hat sich als Wachstumsmotor erwiesen, einer der Auftraggeber ist Branchenriese Rossmann.
Das Exportgeschäft macht derzeit nur einen kleinen Teil des Umsatzes aus, doch das Potenzial haben die Königseer fest im Blick. So wurden schon Brausetabletten für Korea produziert, der Fenchelhonig soll von Dubai bis Marokko in den arabischen Raum geliefert werden. Etwa ein Jahr dauert der Prozess von der Kreation über die Zulassung bis zur Herstellung und Verpackung eines neuen Produktes. In der Forschung arbeitet die Firma mit der Beuth Hochschule für Technik, der Universität Potsdam und dem Fraunhofer Institut zusammen und unterhält eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Berlin-Adlershof.
Der Wachstumskurs soll in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Zehn Millionen Euro Jahresumsatz sind das erklärte Ziel. Parallel dazu wird die Firmenstruktur umgebaut, damit das Unternehmen als eigenständiger Produzent erhalten bleibt. Mit dem Firmenmotto „Wir haben es bewahrt - denn es hat sich bewährt“ bekennt sich das Unternehmen zum Standort Königsee. Obwohl für eine moderne Produktion nicht optimal, hält man am Stammsitz in der Lindenstraße fest. Im Gegensatz zu anderen Firmen gibt es bei der Gewinnung von Fachkräften kaum Probleme. „Wir betreuen sehr viele Diplom- und Masterarbeiten“, erklärt Finanzchef Hennes Macholdt. Aus dem engen Kontakt zu den Studenten sind schon einige Arbeitsverträge entstanden, etwa beim heutigen Marketingleiter. Dr. Strätling vergleicht Hofmann & Sommer denn auch eher mit Borussia Dortmund als mit Bayern München: „Wir kaufen keine großen Stars, wir bauen sie hier auf!“
Umso wichtiger ist für den Unternehmer die Attraktivität der Region. Die Sogwirkung der Großstädte sieht er aus unternehmerischer Sicht kritisch. Teures Wohnen, Verkehrsinfarkt und wenig Platz für Industriebetriebe sind für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung nicht zuträglich. „Wir müssen ein Alleinstellungsmerkmal für unsere Heimat finden und stärker nach außen vermitteln“, ist sich Dr. Strätling mit dem Landrat einig. Die Pluspunkte für den Landkreis reichen von bezahlbarem Wohnraum über sehr gute Kinderbetreuung und damit gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf bis zu einem vielseitigen Freizeitangebot.
Landrat Wolfram zeigte sich zum Abschluss des Besuches beeindruckt: „Hofmann & Sommer ist ein hervorragendes Beispiel, wie sich ein Unternehmen aus unserem Landkreis mit viel Fachwissen, großer Kreativität, Unternehmergeist und einem unglaublichen Durchhaltevermögen erfolgreich am Markt behaupten und wachsen kann.“
Peter Lahann
Presse- und Kulturamt