Saalfeld. „Die anfänglich vorhandene Skepsis bei den Einsatzkräften ist inzwischen gewachsen, aber der Respekt vor der Größe der Aufgabe ist geblieben“, beschreibt Marc Stielow, zuständiger Referent im Thüringer Innenministerium für den Brandschutz, die bisherigen Erfahrungen mit den Tunnel-Übungen entlang der ICE-Neubaustrecke durch den Thüringer Wald anlässlich der Übung am vergangenen Samstag am Fleckberg-Tunnel. Unerwartete aber umso realistischere Bedingungen hatten sich morgens eingestellt: Starkregen und Unwetter auch in weiten Teilen des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt hielten Feuerwehren in Atem, um Straßen zu beräumen und Keller auszupumpen, so dass nicht alle der vorgesehenen Übungsteilnehmer entsprechend des Alarmierungsplanes ausrücken konnten.
Hier bewährte sich das Einsatzsystem mit den modular aufgebauten Tunnelbasiseinheiten, erläuterte Stielow: „Die Tunnelbasiseinheiten sind mit je fünf Fahrzeugen überall gleich aufgestellt, identisch ausgestattet und die Feuerwehrleute haben dieselbe Ausbildung.“ Dadurch könne jede Einheit je nach Zeitpunkt des Eintreffens genau dort eingesetzt werden, wo sie gerade gebraucht werde. Das funktionierte auch am Samstag: Die Lücken konnten umgehend durch Einsatzkräfte aus den Bereitstellungsräumen geschlossen werden. „Das zeigt die hohe Flexibilität des Einsatzkonzeptes und die beispielhafte Einsatzbereitschaft der Feuerwehrleute“, kommentierte Kreisbrandinspektor Frank Thomzyk. 768 teilnehmende Frauen und Männer zählte die Einsatzleitung am Ende.
Zu den Fehler-Erfahrungen, von denen künftige Einsatzplanungen profitieren können, gehörte die Kommunikationspanne am Beginn der Übung: Weil die Alarmierung fälschlich in der Leitstelle des llm-Kreises einging und nicht in Saalfeld, verzögerte sich zunächst die Alarmierung. Auch das gehörte zu den realistischen Erfahrungen der Übung.
Anlässlich einer Fördermittelübergabe mit Thüringens Innenmister Holger Poppenhäger am Rande der Übung erläuterte Thomzyk die besondere Einbeziehung des „weißen Bereichs“, also der medizinischen Versorgungs- und Rettungskräfte. „Wir wenden hier erstmals im Landkreis die ÜMANV-Richtlinie des Freistaats Thüringen an, die wegen der Einsätze an der ICE-Strecke eingeführt wurde.“ Dabei können bei Großschadensereignissen auch Einsatzkräfte aus den Nachbarkreisen hinzugezogen werden. „Die Sicherstellung der medizinischen Versorgung ist ein erheblicher Aspekt – und wir wollen die Richtlinie hier mit Leben erfüllen.“ Zumal sie auch künftig bei anderen Einsätzen angewendet werden könne. Einen weiteren wichtigen Aspekt hob Frank Thomzyk hervor: „Wir haben auch die psycho-soziale Notfallversorgung in die Planung mit einbezogen und deshalb ein Team der Notfallseelsorger bei der Patientenbetreuung dabei.“ Als Verletzte, die aus dem Zug geborgen und versorgt werden mussten, nahmen 30 Polizeischüler aus Meiningen teil.
Auch Innenminister Dr. Holger Poppenhäger dankte den fast ausschließlich ehrenamtlichen Einsatzkräften, deren Arbeit nicht hoch genug gewürdigt werden könne. Am Einsatzort im ICE-Tunnel oder bei der Patientenablage am Südportal des Tunnels informierte er sich aus erster Hand bei den Einsatzkräften.
Fotos: Martin Modes – am Südportal des Fleckbergtunnels die Sichtung der Verletzten in der Patientenablage
Martin Modes
Presse- und Kulturamt
Hintergrundinfo zur Einsatztaktik bei der Übung vom Samstag, 24. August, im Fleckbergtunnel bei Katzhütte im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt
Monatlich üben Deutsche Bahn, „rote“ und „weiße“ Einsatzkräfte, Landes- und Bundespolizei, bis die Strecke im Dezember zum Fahrplanwechsel in Betrieb genommen wird. Am vergangenen Samstag war noch einmal der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt Ort des Geschehens: Samstagmorgen wurden über 700 Einsatzkräfte alarmiert. Entsprechend des Einsatzortes, des 1490 Meter langen Fleckbergtunnels bei Katzhütte, hatte der Landkreis die Übung geplant und auch die Einsatzleitung übernommen. Dafür waren am Samstag Kreisbrandmeister Ronny Wuckel und die Technische Einsatzleitung in der Freiwilligen Feuerwehr Oberweißbach zuständig.
Neben den Tunnelbasiseinheiten aus den Landkreisen Sonneberg, Hildburghausen, Saalfeld-Rudolstadt und dem Ilm-Kreis wurden auch Rettungsdienste (Ü-MANV Einheiten) aus den Gebietskörperschaften Saalfeld-Rudolstadt, Ilm-Kreis, Hildburghausen, Suhl, Schmalkalden-Meiningen, Gotha, Saale-Orla-Kreis, Weimar, Wartburgkreis und dem Unstrut-Hainich-Kreis alarmiert. Ebenfalls beteiligten sich die Landes- und Bundespolizei, das THW und die Deutsche Bahn an der Übung.
Das Ziel bei jeder Großübung an der neuen ICE-Strecke bleibt das gleiche: Die Zusammenarbeit der Einsatzkräfte an den verschiedenen möglichen Einsatzorten entlang der Tunnel und Brücken unter realistischen Bedingungen zu üben und die Abläufe immer weiter zu verbessern. Das heißt, die Anfahrt der Rettungskräfte, die Handlungsabläufe der Technischen Einsatzleitung sowie die Rettung von Personen bei einem überörtlichen Massenanfall von Verletzten werden immer wieder neu geprobt.
Im März und April dieses Jahres waren an insgesamt vier Wochenenden ca. 1.200 Einsatzkräfte aus Bayern und Thüringen in die Einsatztaktik für alle 22 Tunnelbauwerke auf der Neubaustrecke VDE 8.1 Ebensfeld-Erfurt praktisch geschult und eingewiesen wurden, die ihr Wissen jetzt praktisch erproben.
Bis zur Inbetriebnahme der Strecke sind noch drei Großübungen geplant, auch nach Inbetriebnahme soll es regelmäßig Übungen geben.
Fakten zur Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt
Die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt ist Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 8 (Nürnberg-Berlin). Die Neubaustrecke wird als VDE 8.1 geführt. Sie ist 107 Kilometer lang und führt auf 12 Kilometern über 29 Brücken und auf 41 Kilometern durch 22 Tunnel.
Der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt ist für den Fleckbergtunnel mit einer Länge von 1.490 Metern und den 1.051 Meter langen Masserbergtunnel sowie die 385 Meter lange Massetalbrücke zwischen den beiden Tunneln zuständig.
Der Fleckbergtunnel ist ein zweigleisiger Einröhrentunnel mit einer Länge von 1490 m, der über einen befahrbaren Rettungsstollen verfügt.
Einsatz der Tunnelbasiseinheiten (TBE):
In Thüringen gibt es 18, in Bayern 10 TBE entlang der Strecke. In Thüringen werden die TBE in 6 Landkreisen (Landkreise Gotha, Ilmkreis, Saalfeld-Rudolstadt, Hildburghausen, Sonneberg, Sömmerda) und in der Stadt Erfurt vorgehalten, 4 TBE befinden sich im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. An den 4 Einheiten im Landkreis sind folgenden Feuerwehren beteiligt: FF Lichte, FF Katzhütte, FF Reichmannsdorf, FF Schmiedefeld, FF Remda, FF Rudolstadt, FF Bad Blankenburg, FF Uhlstädt, FF Leutnitz, FF Königsee, FF Remschütz, FF Leutenberg, FF Crösten, FF Steinsdorf, FF Saalfeld, FF Oberweißbach. Zu den TBE gehören darüber hinaus die Rettungsdienste.
Mit der Bildung von TBE soll sichergestellt werden, dass bei einem Schadensfall an der ICE-Strecke der örtliche Brand- und Katastrophenschutz weiter sichergestellt ist. Deshalb setzen sich die TBE aus verschiedenen freiwilligen Feuerwehren zusammen.
Im Ernstfall rücken alle TBE zum Einsatzort aus (thüringische und bayerische).
Thüringer ÜMANV-Richtlinie (Richtlinie zur überörtlichen Hilfe bei Großschadensereignissen)
Zitat aus der Richtlinie: „Ist die Anzahl der Verletzten jedoch zu hoch für diese Konzepte, muss auf das leistungsfähige Potential der umliegenden Landkreise und kreisfreien Städte zurück gegriffen werden, damit die Notfallpatienten weiterhin nach den aktuellen Standards der Medizin versorgt werden können.“
Erläuterung: ÜMANV-Einheiten = Einheiten zum Einsatz beim überörtlichen Massenanfall von Verletzten