Bad Blankenburg. Seit zwei Jahren beteiligt sich der Landkreis Saalfeld Rudolstadt am Bundesforschungsvorhaben MORO Lebendige Regionen, um Strategien, Projekte und Instrumente zu entwickeln, die sich mit den Folgen des demografischen Wandels auseinandersetzen. Eine sichtbare Folge dessen ist der Leerstand, der ein nahezu alle Gemeinden des Landkreises betreffendes Anliegen ist und die Ortsbilder zunehmend negativ prägt. Probleme zeigen sich dabei schwerpunktmäßig in fehlenden Nutzern und Betreiberkonzepten sowie schwierigen Eigentumsverhältnissen. Dies wird durch die nach wie vor bestehende Präferenz des Bauens auf der „grünen Wiese“ und der veränderten Ansprüche an den Wohnraum weiter verstärkt. Zentral ist dabei der Kampf gegen den innerörtlichen Leerstand. Auch der potenzielle Leerstand spielt im Zuge einer älter und weniger werdenden Bevölkerung eine wichtige Rolle, dessen Folgen in die zukünftige Entwicklung eingebunden werden müssen.
Leerstand ist nicht per se schlecht. Eine Quote von 3 bis 5 Prozent wird als gesund und notwendig angesehen, denn ohne Leerstand gibt es auch keine Bewegung auf dem Wohnungsmarkt. Im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bewegt sich die Quote allerdings zwischen 4 und 11 Prozent und schwankt dabei noch stark zwischen den städtischen Einzugsgebieten, in denen hohe Wohnraum- und Platzbedarfe herrschen, und ländlichen Gebieten, in denen vielerorts Einwohnerrückgang vorherrscht. In dem Spannungsfeld zwischen Leerstand und lokalem Mangel an Miet- und Eigentumswohnraum sowie Bauflächen finden Interessenten und Anbieter häufig nicht zusammen, zumal Bauen im Bestand als sehr schwierig wahrgenommen wird.
Vor diesem Hintergrund, organisierte der Landkreis am 27. August 2018 eine Konferenz zum Thema „Perspektiven der Innenentwicklung. Wie Planer, Kommunen und Bauherren gemeinsam lebendige Ortskerne schaffen.“ und lud Referenten, Bürgermeister, VG-Leiter, Mitarbeiter der Bauverwaltungen und Akteure der Regionalentwicklung ein. Auch Vertreter des Amtes für Landentwicklung und Flurneuordnung folgten der Einladung in die Landessportschule Bad Blankenburg. „Unter dem Leitbild „Vorrang Innenentwicklung“, hat sich der Landkreis zum Ziel gesetzt, ein regionales Leerstandsmanagement für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt aufzubauen und die Gemeinden auf diesem Weg zu unterstützen“ sagte Landrat Marko Wolfram bei der Konferenz. „Dabei spielt die Fokussierung der Siedlungsentwicklung auf den Ortskern eine besonders wichtige Rolle, um die Lebendigkeit der Ortsmitten zu bewahren und eine Zersiedlung der Außenbereiche zu vermeiden“ betonte der Landrat. Auch die Reduzierung des Flächenverbrauchs und der Infrastrukturfolgekosten sowie der Erhalt historischer, identitätsstiftender Siedlungsstrukturen sind Argumente, die für die Stärkung der Ortskerne sprechen.
Für die genaue Erfassung und Bewertung der aktuellen Leerstandssituation im Landkreis und ganz Thüringen, hat das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft im April 2018 das Flächenmanagmenttool FLOO Thüringen eingeführt, an dessen Entwicklung der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt intensiv mitgewirkt hat. Um die Gemeinden bei der Anwendung des Tools zu unterstützen, werden im Landratsamt kostenlose Schulungen angeboten.
Im Rahmen der Konferenz wurde vom Planungsbüro „nonconform“ an mehreren Positivbeispielen aus Deutschland und Österreich die belebende Wirkung der Innenentwicklung gezeigt. Wichtig ist dabei, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinden und insbesondere die Eigentümer frühzeitig in die Planungen und Überlegungen mit einbezogen werden und ihre Anregungen umgesetzt werden – entweder als Baustein im Prozess oder als zügig umzusetzende Sofortmaßnahme. Werden die Menschen in die Entwicklung „ihrer“ Orte einbezogen, lässt sich der sogenannte „Donut-Effekt“ – die Ortskerne sterben aus, an den Rändern wird neu gebaut – vermeiden und sogar umkehren. Auch aus der Südthüringischen Gemeinde Hellingen konnten Erfahrungen beigesteuert werden. Der Bürgermeister, Christoph Other, berichtete, dass seit 2014 keine neuen Baugebiete ausgewiesen wurden. Außerdem stellte er das Gemeindekonzept „Siedlungsentwicklung 2.0“, mit dem der Zugang zu Fördermitteln der regionalen Dorferneuerung möglich wurde, sowie die „Initiative Rodachtal“ vor, in der sich die Mitgliedsgemeinden schon viele Jahre mit dem Thema Leerstand beschäftigen und vielseitige Instrumente wie beispielsweise Baustoff- und Immobilienbörsen, Bauberatungen und Baukulturpreise zur Anwendung kommen.
Um den Leerstand im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt zu bekämpfen, dem „Donut-Effekt“ vorzubeugen und den weiteren Flächenverbrauch zu reduzieren, wird der Landkreis mit dem Leitbild „Vorrang Innenentwicklung“ weiter unterstützen. Dabei werden auch in Zukunft die Fragen zu diskutieren sein: Wie kann der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern fruchtbar gestaltet und gehalten werden? Sollte das Leerstandsmanagement zentral oder dezentral gesteuert werden? Und wie wird aus dem Verzicht auf Neuausweisung von Bauplätzen ein Potenzial für die Gemeinden und die Region?
Zur Verstetigung der MORO Ergebnisse soll das Thema Innenentwicklung verstärkt in die Regionale Entwicklungsstrategie (RES) der LEADER Aktionsgruppe Saalfeld-Rudolstadt aufgenommen werden. Dies ist für die Fortschreibung der RES 2018 geplant. Die zu übernehmenden Inhalte werden mit den Akteuren im Rahmen eines Bilanz-Workshops im September und der Mitgliederversammlung im November 2018 diskutiert und beschlossen.
Arne Nowacki
Presse- und Kulturamt