Saalfeld. Geschlossene Schulen und Kitas, Kontaktverbote, gestresste Familien: Von den drastischen Einschränkungen im Zuge der Coronavirus-Pandemie sind auch Familien in unserem Landkreis und besonders auch Kinder betroffen. Darauf weist das Jugendamt des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt hin – und appelliert an Eltern, Angehörige und Nachbarn, beim Thema Kindeswohl genau hinzuschauen. „Zwar schweißt die Corona-Lage viele Familien zusammen. Eltern und Kinder verbringen mehr Zeit miteinander. Aber es kann auch passieren, dass Konflikte jetzt schneller eskalieren und Kinder Gewalt oder Verwahrlosung erleben“, sagt die Kinderschutzbeauftragte Melanie Matthes vom Jugendamt des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt. Ein besonderes Risiko gebe es in Familien, in denen psychische Erkrankungen oder Suchtprobleme eine Rolle spielten.
„Klar ist: Das Jugendamt ist auch weiterhin voll erreichbar. Wir gehen jedem Hinweis nach“, betont Matthes. Bei der Kinderschutz-hotline: 0160-7436715 von 08:00 bis 16:00 Uhr; E-Mail: kinderschutz-jugendamt@kreis.slf.de können sich Eltern melden, die von der aktuellen Situation überfordert sind und Hilfe brauchen.
Auch wer den Verdacht hat, dass Kinder leiden oder Angst vor ihren Eltern haben, kann dort anrufen. Es sei jedoch unbedingt zum „genauen Hinschauen und Hinhören zu raten“: Kreischende Geschwister, Getrampel auf dem Boden oder laute Musik in der Nachbarswohnung seien noch lange kein Hinweis auf eine Kindeswohlgefährdung. „Aber, wenn die Kinder selbst um Hilfe rufen oder die Eltern sagen: ´Ich pack‘s nicht mehr‘, dann sollte man das Jugendamt einschalten – oder im äußersten Fall die Polizei“, macht Matthes deutlich.
Die Corona-Pandemie stelle dabei auch das Jugendamt selbst vor neue Herausforderungen. So müssen die täglichen Aufgaben unter Beachtung der Maßnahmen des Infektionsschutzes (Kontaktveränderungen, Schutzkleidung, Teildienste u.s.w.) erfüllt werden, um die Infektionsgefahr zu minimieren, berichtet Matthes. „Entscheidend ist, dass der Kontakt zu Familien, die bereits vom Jugendamt betreut werden, nicht abreißt. Wo das Kindeswohl einmal in Gefahr war, gehen wir auch jetzt in die Familien, um sicherzustellen, dass es den Kindern gut geht“, so die Kinderschutzbeauftragte.
Um bei den Hausbesuchen die Infektionsgefahr möglichst gering zu halten, gehen die Fachkräfte auch neue Wege. So kämen verstärkt Telefonate, zum Teil Video-Chats zum Einsatz, Gespräche würden teils an der Fensterscheibe oder Haustür geführt. „Aber am direkten Kontakt zum Kind führt kein Weg vorbei. Das Wohl der Kinder hat für das Jugendamt auch unter widrigen Umständen allerhöchste Priorität“, betont Matthes.
Bisher führte die Corona-Krise im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt nicht zu einer stark ansteigenden Anzahl von Notrufen beim Jugendamt. „Es sind oft auch Pädagoginnen und Pädagogen in Schulen und Kitas, die sich mit Verdachtsfällen bei uns melden. Aber die sehen die Kinder und Jugendlichen aktuell nur innerhalb der Notbetreuungen. Bei einer Verlängerung der Pandemie könnte es aber zu mehr Meldungen von Nachbarn, Verwandten oder Bekannten kommen“, so Matthes.
Im vergangenen Jahr bekam das Jugendamt im Durchschnitt 18 Hinweise pro Monat auf mögliche Vernachlässigungen, Misshandlungen bzw. Missbräuche von Kindern und Jugendlichen. Das Jugendamt kümmert sich dabei um jeden einzelnen Fall. Durchschnittlich 9 Fälle pro Monat stuften die Mitarbeiter 2019 dabei als so alarmierend und schwerwiegend ein, dass sie die Kinder und Jugendlichen zeitweise außerhalb der Familie unterbringen mussten, um sie zu schützen.
Cornelia Herpe
Leiterin Jugendamt