Erfurt/Probstzella. Unter dem Titel „Stacheldraht, Sperrzone, Zwangsaussiedlungen – Die Befestigung der DDR-Westgrenze 1952“ hat der Historiker Roman Grafe bei der Thüringer Landeszentrale für politische Bildung ein Sonderheft über die Schließung der innerdeutschen Grenze veröffentlicht. Komprimiert auf 38 Seiten schildert er die nur noch wenig bekannten Ereignisse von 1952. Bereits in seinem 400 Seiten umfassenden Buch „Die Grenze durch Deutschland“ hatte er die Geschichte der Deutschen Teilung exemplarisch in der Region um Ludwigsstadt und Probstzella aufgearbeitet. Auch das Heft der Landeszentrale, das in der Reihe Quellen zur Geschichte Thüringens erscheint, konzentriert sich auf diesen Abschnitt der thüringisch-fränkischen Grenze. Das Heft kann kostenfrei auf der Internetseite der Landeszentrale (www.lztthueringen.de/publikationen) bestellt werden.
Das Heft widmet sich der oft vergessenen ersten Phase der Grenzschließung, die ab dem 26. Mai 1952 – schon knapp 10 Jahre vor dem Bau der Berliner Mauer – harte Realität für hunderttausende Menschen in Ost und West entlang der 1.400 km langen Grenze wurde. 70 Jahre nach der Befestigung der innerdeutschen Grenze durch die DDR sind ihre Spuren in der Landschaft nur noch vereinzelt offen erkennbar. Allerdings lässt die unübersehbare Waldschneise entlang des heutigen Grünen Bandes, einem inzwischen einmaligen Naturschutzgebiet, das Ausmaß erahnen, in dem Stacheldrahtzäune und Drahthindernisse einst das Bild der Landschaft und das Leben der Menschen prägten.
Auch entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze um Ludwigsstadt, Probstzella, Gräfenthal und Lehesten gibt es nur wenige Relikte aus dieser Zeit – wie den ehemaligen Grenzzaun bei Lehesten, der vor kurzem von den Schülern der Karl-Oertel-Grundschule Lehesten wieder freigelegt wurde oder den Grenzturm auf dem Hopfsberg als einer der wenigen noch existierenden Grenztürme.
Das Sonderheft der Landeszentrale für politische Bildung erläutert die regionalen und überregionalen historischen Hintergründe einer Zeit, lange vor dem Bau der Berliner Mauer, in der die dramatischen Auswirkungen der Staatsgrenze für die betroffenen Menschen von der Einschränkung der Bewegungsfreiheit bis hin zur Zwangsumsiedlung spürbar wurden.
Anlässlich des 70-jährigen Gedenkens an die Einrichtung des Sperrgebiets in der ehemaligen DDR veranstaltet die Stiftung Naturschutz Thüringen zusammen mit dem Thüringer Geschichtsverbund die Veranstaltungsreihe „Der Schnitt“, welche an verschiedenen Standorten direkt an die innerdeutsche Grenze in Thüringen erinnert. Von Lesungen und Vorträgen, über Wanderungen und Museumsführungen bis hin zu Zeitzeugengesprächen erinnert die Veranstaltungsreihe seit Mai an die Auswirkungen einer Teilung, die sowohl für die Lebensrealität der Menschen als auch für die Natur einen radikalen Einschnitt darstellte.
Der Abschluss der Reihe findet am 9. und 10. November im Haus des Volkes in Probstzella statt. Das Programm dort umfasst neben einer Wanderung und der Besichtigung des Grenzbahnhofs auch Vorträge und eine Diskussionsrunde.
Genaueres zu dieser und anderen Veranstaltungen der Reihe „Der Schnitt“ erfahren sie auf der Internetseite der Stiftung Naturschutz Thüringen (www.stiftung-naturschutz-thueringen.de/1952).
Robert Thümer
Presse- und Kulturamt
Hintergrund – Die innerdeutsche Grenze bei Ludwigsstadt und Probstzella in den Medien
Die Region um Probstzella und Ludwigsstadt wurde in der Vergangenheit aufgrund ihrer Nähe zur ehemaligen innerdeutschen Grenze mehrfach als Dreh- und Spielort verschiedener Filme und Bücher gewählt, die sich mit dem Thema befassen.
Bereits im Jahr 1955 veröffentlichte der Düsseldorfer Regisseur Helmut Käutner das Filmdrama „Himmel ohne Sterne“, in dem er die Probleme der Menschen, die in der Nähe der geschlossenen Grenze lebten offen anspricht. In diesem Film, der im Jahr 1953 spielt und in Ludwigsstadt gedreht wurde, stellt der Drehort im Westen eigentlich den Grenzort Probstzella im Osten dar. Thematisiert wird eine Reihe von charakteristischen Konflikten der Anfangszeit der innerdeutschen Teilung: von der Zerrissenheit von Familienmitgliedern, die auf unterschiedlichen Seiten der Grenze leben und sich deshalb nur unter großer Gefahr oder aber mit einem nur schwer zu erhaltenden Passierschein regelmäßig sehen können; von dem Konflikt der Grenzsoldaten, zwischen Auftrag und Mitmenschlichkeit zu vermitteln; von der Lebensgefahr, die von der Sperrzone ausgeht, wenn man sich nicht strikt an die harten Regelungen hält.
In den Verfilmungen der Bücher „Klaras Mutter“ (1978) und „Eisenhans“ (1983) von Tankred Dorst wurde die Region um Ludwigsstadt und Kronach als Drehort gewählt. Der deutsche Dramatiker, der ursprünglich aus Oberlind im Landkreis Sonneberg stammte und 2017 in Berlin verstarb, arbeitete an der Verfilmung beider Dramen maßgeblich mit. Während „Klaras Mutter“ in den 1930’er Jahren spielt, bewegt sich der Film „Eisenhans“ zwar in der DDR-Zeit, spricht die Konflikte, welche die innerdeutsche Grenze in der Lebensrealität der Menschen verursacht allerdings nicht offen an.
Im 2019 erschienen Roman „Was uns erinnern lässt“ wählt die Schriftstellerin Kati Naumann die Region Sonneberg/Tettau/Gräfenthal/Spechtsbrunn, um in einer fiktiven Geschichte zu erläutern, was in der Zeit der innerdeutschen Trennung mit Gebäuden und Existenzen passierte, die ihren Standort im sogenannten Sperrgebiet hatten. Eindrücklich erzählt sie die Geschichte einer Familie, die in unmittelbarer Nähe der Grenze ein Hotel betrieb und wie die Abriegelung das Leben der einzelnen Personen und das Fortbestehen des Hotels dramatisch veränderte.
Wie im Drama „Himmel ohne Sterne“ spielt auch im 2021 erschienenen Film „3 ½ Stunden“ der Grenzübergang bei Ludwigsstadt/Probstzella eine entscheidende Rolle – allerdings in einem ganz anderen Licht. Der Film erzählt die Geschichte des Interzonenzuges D-151, welcher am 13. August 1961 – am Tag des Mauerbaus – von München über den Grenzübergang bei Ludwigsstadt/Probstzella Richtung Ost-Berlin fährt. Die Einstellung der Passagiere zum politischen System, sowie die Entscheidung, die sie unter Zeitdruck treffen müssen, als sie im bereits rollenden Zug vom Mauerbau erfahren, ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt dieses Spielfilmdramas: schnell aussteigen, das Leben im Osten von jetzt auf gleich zurücklassen und mit leichtem Gepäck in einer ungewissen Zukunft in der BRD ankommen oder aber sitzen bleiben und zurückkehren, in den Ostteil des Landes, mit dem Beigeschmack, die DDR vielleicht nie wieder Richtung Westen verlassen zu können? Anschaulich vermittelt der Film den Ernst der Situation und den Druck der plötzlich so drängenden Entscheidung.
Vom Beginn der Abriegelung der ehemaligen Grenze durch die DDR 1952 bis heute stellt die Region Ludwigsstadt/Probstzella einen exemplarischen Ort des Gedenkens an die Zeit der Deutschen Teilung dar. Auch in Filmen und Büchern wurde der ehemalige Grenzübergang mehrfach zur Veranschaulichung der damaligen Konflikte und zur Darstellung der Lebensrealitäten der betroffenen Menschen in Ost und West gewählt. Diese Auswirkungen der Deutschen Teilung spiegeln sich wesentlich in den Biographien vieler Menschen der Region in ähnlicher Art und Weise wider, wie sie in den angesprochenen Werken aufgearbeitet wurden. Deshalb lohnt sich ein Blick auf das ein oder andere Werk, um sich zu erinnern, zu gedenken oder ein besseres Verständnis für die historischen Ereignisse zu gewinnen.