Saalfeld. Landrat Marko Wolfram und Prof. Dr. Igor Alexander Harsch, Leiter der Pandemiestationen am Klinikstandort Saalfeld, sind sich einig: „Wir halten zum jetzigen Zeitpunkt wenig davon, die bestehenden Auflagen noch weiter zu verschärfen.“ In einem ausführlichen Statement im kommenden Amtsblatt appelliert der Landrat nochmals an alle Landkreisbewohner und begründet die Vorgehensweise des Pandemiestabes:
„Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
entgegen unserer Hoffnung beginnt das neue Jahr noch dramatischer als das alte geendet ist. Die Corona-Eindämmungsmaßnahmen haben noch nicht die erwünschte Wirkung entfaltet. Die Infektionszahlen sind weiter gestiegen, die Zahl der Todesopfer dieser schrecklichen Krankheit ebenfalls. Im Januar hat unser Landkreis sogar den traurigen Spitzenplatz in Deutschland beim 7-Tage-Inzidenzwert erreicht.
Ich weiß, dass die Nachricht bei vielen von Ihnen für Unsicherheit sorgt, ob wir mit schärferen Maßnahmen gegensteuern müssen. Wir haben diese Frage ausführlich im Pandemiestab beraten. Wir sind zu der Auffassung gelangt, dass mit lokalen Maßnahmen, die über die seit dem 10. Januar gültige Landesverordnung hinausgehen, kaum nennenswerte Effekte beim Infektionsschutz zu erzielen sind. Zudem beruht der aktuell sehr hohe Wert noch auf der Aufarbeitung von Fällen unmittelbar nach den Feiertagen zu Weihnachten und dem Jahreswechsel, an denen das Infektionsgeschehen sehr hoch war.
Tatsächlich ging die Zahl der von den Laboren eintreffenden Testergebnisse in der zweiten Januarwoche leicht zurück. Es ist ein vorsichtiger Hinweis, dass die Maßnahmen Wirkung zeigen. Natürlich ist es für eine Entwarnung viel zu früh und die Lage in den Thüringen-Kliniken weiter angespannt. Deshalb bitte ich Sie nochmal eindringlich, am Arbeitsplatz aber auch im Privaten, sich an die Auflagen und Vorschriften zu halten. Sehr wichtig ist, dass jetzt das Impfen in den Pflegeheimen beginnt. Hier leben die besonders gefährdeten Personen und ein schneller Schutz ist dringend notwendig. Ab Februar wird zudem auch bei uns ein Impfzentrum am alten Klinikstandort in Rudolstadt in Betrieb gehen. Zudem haben wir der KV angeboten, auch in den Thüringen-Kliniken in Saalfeld zu impfen, sofern denn genügend Impfstoff verfügbar ist.
Ich möchte an dieser Stelle auf das Spannungsfeld eingehen, in dem wir uns bei Entscheidungen für eine Lockerung bzw. Verschärfung von Anti-Corona-Maßnahmen bewegen. Es liegt im Wesen unserer Demokratie und ist im Grundgesetz verankert, dass eine Beschneidung der individuellen Freiheitsrechte einer sehr guten Begründung bedarf. Eingriffe müssen außerdem verhältnismäßig sein, also dem Ernst der Lage angemessen. Strenge Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie müssen nicht nur akzeptiert werden, sondern auch vor Gericht standhalten. Wir haben an vielen Urteilen gesehen, dass die Gerichte die Eingriffe unterschiedlich beurteilen. Manche Gerichte haben z. B. die Maskenpflicht im Unterricht als unverhältnismäßig eingestuft und aufgehoben, andere haben sie bestätigt. Bei der Genehmigung von Demonstrationen ist es ähnlich, nur in wenigen Fällen hatten Verbote vor Gericht Bestand.
Deshalb können Bundesregierung, Landesregierung oder auch das Landratsamt nicht immer die Einschränkungen festlegen, die aus epidemiologischer Sicht zur Eindämmung der Pandemie am geeignetsten wären. Die Entscheidungen sind also immer ein Kompromiss aus gebotenem Handeln, rechtlichen Möglichkeiten und, nicht zu unterschätzen, der Bereitschaft einer Mehrheit der Bevölkerung, diese mitzutragen und zu befolgen.
Unser oberstes Ziel ist es, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, um die Menschen hier vor einer Infektion zu schützen. Wir haben das Gesundheitsamt inzwischen massiv verstärkt und werden zusätzlich von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr unterstützt, wofür ich sehr dankbar bin. Inzwischen sind rund 60 Personen im Gesundheitsamt mit Aufgaben in Zusammenhang mit der Pandemie betraut. Dazu gehören mehrere Mitarbeiter, die die Einhaltung der Hygienevorschriften kontrollieren und sanktionieren. Sie sind regelmäßig in Geschäften und Einrichtungen unterwegs, es wurden bereits zahlreiche Bußgelder verhängt, auch im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Auflagen bei den „Montagsspaziergängen“.
Parallel dazu haben wir mit eigenen Maßnahmen frühzeitig auf die sich verschärfende Lage reagiert. Mitte November haben wir vorsorglich die Turnhallen für den Vereinssport geschlossen – während das Land dies noch erlaubt hat. Am 3. Dezember haben wir unsere Maßnahmen wiederum verschärft und Veranstaltungen und Weihnachtsmärkte verboten. Für zentrale Plätze in Saalfeld und Rudolstadt wurde die Maskenpflicht ausgeweitet und ein Alkoholverbot erlassen. Es folgten weitergehende Maßnahmen des Landes durch die Eindämmungsverordnungen von Anfang und Mitte Dezember, samt nächtlicher Ausgangssperre.
Wir halten im Pandemiestab zum jetzigen Zeitpunkt wenig davon, jetzt die bestehenden Auflagen auf Landkreisebene noch weiter zu verschärfen. Kontakte im privaten wie beruflichen Umfeld sind schlicht nicht zu kontrollieren, hier können wir nur an die Disziplin und Eigenverantwortung jedes und jeder einzelnen appellieren. Die Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf einen 15-Kilometer-Radius ist ebenfalls durch die Polizei nicht flächendeckend durchzusetzen, zumal die meisten Fahrten aus triftigen Gründen weiter möglich sind. Schließlich ist es fraglich, ob von Familien, die im Familienverband an der frischen Luft rodeln gehen, dass Infektionsgeschehen negativ beeinflusst wird. Gleichzeitig müssen wir befürchten, dass durch solch einschneidende Maßnahmen die Akzeptanz gerade bei denen verloren geht, die sich bis jetzt an die Vorschriften gehalten haben.
Deshalb appelliere ich abschließend an Sie alle: Vermeiden Sie Kontakte wo immer es möglich ist und halten Sie sich bitte am Arbeitsplatz wie zu Hause an die Vorschriften. Nur so wird es uns gelingen, die Pandemie wirksam einzudämmen und unsere älteren Mitmenschen zu schützen!“
Carolin Dudkowiak
Presse- und Kulturamt