Saalfeld. Die aktuelle Pilzsaison hat inzwischen begonnen und die Pilzsachverständigen und Pilzkundigen des Landkreises sind längst wieder mit ihrer Arbeit bei den Pilzsammlern gefragt. Sie ziehen nun noch ihre Bilanz für das abgelaufene Pilzjahr 2023.
Und diese Bilanz hat einige spannende Aspekte. Würde man alleine die Statistik betrachten, „wäre es das zweitschlechteste seit der Neugründung unserer Pilzgruppe im Jahr 1994, denn nur 2018 waren die Zahlen der Pilzberatungen und Bestimmungen niedriger“, sagt Bernd Rudolph, der Kreisbeauftragte. In Zahlen ausgedrückt: Die sieben Pilzsachverständigen berieten im vergangenen Jahr insgesamt 365 Pilzfreunde und führten dabei 488 Pilzbestimmungen durch. Dabei wurden immerhin 150 Giftpilze und 229 ungenießbare oder überalterte, verdorbene Pilze aussortiert. Das liegt zwar unter dem Schnitt der zurückliegenden 29 Jahre – „aber allein dadurch haben wir auch 2023 einen wertvollen Beitrag zum vorbeugenden Gesundheitsschutz der Bevölkerung in unserem Kreisgebiet geleistet“, so Rudolph. Die niedrige Zahl an Pilzberatungen resultiert aus der Entwicklung der „Pilzsaison“ für die Sammler von Speisepilzen. Diese konnten aufgrund der Witterung im üblichen Sammelzeitraum von Ende August bis Anfang Oktober vergleichsweise wenig Pilze finden.
Einen ganz anderen Blick haben die Pilzsachverständigen, die das ganze Jahr im Blick haben und dieses Pilzjahr mit einem ungewöhnlichen Verlauf als recht gut und interessant ansehen. Die Gesamtbilanz ihrer Arbeit fällt deshalb ausgesprochen positiv aus und weist sogar Rekorde auf.
Besonders erfreulich ist der Rückgang der Pilzvergiftungen und Verdachtsfälle im Vergleich zum Vorjahr. Es hatte eine echte Vergiftung und eine unechte Vergiftung durch verdorbene Speisepilze sowie vier Verdachtsfälle gegeben. „Alle sechs Fälle sind glücklicherweise glimpflich oder ohne Beschwerden verlaufen“, berichtet Rudolph.
Einen Rekord haben die Pilzsachverständigen und Pilzkundigen in diesem Jahr bei der Zahl der Pilzausstellungen aufgestellt. Neben den sieben eigenen Ausstellungen in Deesbach, Leutenberg, Hoheneiche, Saalfeld, Rudolstadt und Schwarza mit insgesamt über 1500 Besuchern und bis zu 250 vorgestellten Pilzarten beteiligten sie sich wiederum aktiv an der zweitägigen Thüringer Landesausstellung im Oktober in Ilmenau.
„Insgesamt können wir dieses Jahr die noch nie erreichte Gesamtzahl von 57 Aufklärungsaktivitäten vorweisen“, betont Bernd Rudolph einen weiteren Rekord. Die Vielzahl von Pilzaufklärungsaktivitäten umfasst Ausstellungen, Pilzkursveranstaltungen, Vorträge, Pilzwanderungen, Zusammenarbeit mit Schulen, Veröffentlichungen oder Radiointerviews wie in der Tageszeitung oder in den Rudolstädter Heimatheften. Dabei sticht das fünftägige Pilz-und Naturpraktikum heraus, das Bernd Rudolph im November mit einem Schüler einer 6. Klasse durchgeführt hatte.
Zum Beginn des Jahres hat sich die Zahl der Pilzsachverständigen verringert, denn Peter Jahn musste seine Beratungstätigkeit für Meura und Umgebung aus Krankheitsgründen nach über 40 Jahren als Pilzsachverständiger aufgeben. Auch mit inzwischen sechs Pilzsachverständigen behält der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt sein Alleinstellungsmerkmal mit der höchsten Anzahl von öffentlichen Pilzberatungsstellen im Vergleich aller Landkreise in Thüringen. Dabei gilt eine vertraglich geregelte Kooperation der Pilzberater mit dem Landratsamt und seinem Gesundheitsamt. Dort ist Gabriele Fuhrmann als Sachgebietsleiterin Hygiene für die Zusammenarbeit mit der Pilzgruppe zuständig. Sie freut sich über die gute Zusammenarbeit.
„Das ist gewinnbringend für beide Seiten und ich bin sehr froh, dass wir den Pilzkundigen unsere hohe Wertschätzung für ihre Pilzaufklärungstätigkeit im vergangenen Jahr durch die Verleihung des Ehrenamtspreises des Landkreises im Bereich „Umwelt- und Naturschutz“ ausdrücklich zeigen konnten“, bedankt sich Landrat Marko Wolfram.
Das freute auch die Pilzgruppe, die aus den Pilzsachverständigen und fünf Pilzkundigen besteht. „Diese Ehrung motiviert uns in besonderer Weise, unsere Arbeit weiterhin mit großem Engagement fortzusetzen und dabei unser pilzkundliches Fachwissen zu erweitern und zu vertiefen“, verspricht Rudolph im Namen der Gruppe.
Die Übersicht der Pilzberater finden Sie hier
Martin Modes
Presse- und Kulturamt
Fotos
1. Der Ein Allerweltspilz, aber auffällig und untypisch gefärbt, mehrfarbig, der aber im Gegensatz des Fliegenpilzes, der Pilz des Jahres 2022 war, wenig bekannt sein dürfte (Foto von Bernd Rudolph)
2. Der Winter-Trompetenschnitzling. „Auch meist unbekannte kleine Pilzchen haben es verdient, vorgestellt zu werden, besonders wenn sie so spektakulär wachsen wie hier, wo das Substrat, ein winziges Ästchen, kleiner ist als der Pilz selbst mit einem Hut 2 von 2 cm“, beschreibt Bernd Rudolph seinen Fund. Es handelt beim Winter-Trompetenschnitzling um einen ein Massenpilz an Holzresten, insbesondere an Schredderhaufen, der nicht viel größer wird. (Foto von Bernd Rudolph)
3. Auszeichnung der Pilzgruppe mit dem Ehrenamtspreis 2023 im Zeughaus in Schwarzburg (Foto LRA Peter Lahann)
Hintergrund:
Der Blick der Pilzgruppe auf das Pilzjahr 2023
Pilze wachsen ganzjährig, auch im Winter, und selbst in völlig trockenen Perioden finden wir aufgrund unserer speziellen Kenntnisse Arten, selbst wenn es „nur“ Baumpilze sind, die Totholz zersetzen oder als Parasiten lebende Bäume schädigen. Auch darunter gibt es gute Speisepilze. Ebenso zählen für uns seltene oder außergewöhnliche Funde bzw. auffällige Veränderungen im Reich der Pilze, z.B. die Zunahme südeuropäischer Arten in unseren Breiten aufgrund der globalen Erwärmung, zur Einschätzung eines Pilzjahres.
Verlauf des Pilzjahres
Das Frühjahr erbrachte im April und Mai zunächst aufgrund der pilzfreundlichen Witterung durchschnittlich gute Funde der gewohnten frühen Ascomyceten, also Schlauchpilze, zu denen Morcheln, Lorcheln, Becherlinge u.a. zählen, aber auch bereits erste Blätterpilze.
Danach kam das Pilzwachstum leider zum Erliegen, die wochenlange Trockenheit von Ende Mai bis Mitte Juli führte nahezu zum Totalausfall des sogenannten Frühsommeraspekts mit Perlpilzen, Täublingen und den ersten Röhrlingen, und den begehrten Sommersteinpilzen.
Dann aber gab es in der zweiten Julihälfte erfreulicherweise reichlich Regen, was im Hochsommer erfahrungsgemäß bei uns relativ selten vorkommt. Prompt begann dann Anfang August die „Pilzsaison“ mit überaus reichen Funden, hielt aber nur bis Monatsende an. Der darauffolgenden erneuten Trockenheit fielen der gesamte September, im „normalen“ Jahresablauf der Hauptpilzmonat, und die erste Oktoberhälfte zum Opfer. Die Pilzsammler kehrten mit leeren Körben heim, Nur in bestimmten Habitaten mit genügender Bodenfeuchtigkeit, wie z.B. Bachtäler, schattige Schluchten, Flussauen, Feuchtwiesen oder Quellgebiete, werden wir bei solcher Trockenheit fündig, abgesehen von holzbewohnenden Arten.
Dann aber, nach dieser zweiten ungünstigen Witterungsperiode, hielt das Pilzjahr 2023 noch eine unerwartete Überraschung bereit, die allerdings in erster Linie nur uns als Experten erfreute, denn „normale“ Pilzsucher gehen wohl kaum im November auf Pilzpirsch, zumal es vorher schon Frost gegeben hatte. Es begann nämlich noch eine dreiwöchige weitere Wachstumsperiode nicht nur mit den typischen ungenießbaren kleinen Spätherbstpilzen, sondern auch mit begehrten Speisepilzen wie Maronen, Birkenpilze und anderen Röhrlinge, ebenso Riesenschirmpilze und Hallimasch. Die Waldwiesen boten einen herrlichen Anblick durch zahllose Fliegenpilze. Es schien fast so, als ob die Pilze die milde und feuchte Witterung noch nachträglich zum Aussporen für die „Nachwuchssicherung“ nutzen wollten. Mit dem Wintereinbruch in den letzten Novembertagen war dann die Herrlichkeit endgültig vorbei, und die Zeit der Winterpilze begann.