Schmiedebach bei Lehesten. Die Kulmbacher Lehramtsstudentin Lisa Hain stellt ihre Zulassungsarbeit in der thüringischen KZ-Gedenkstätte Laura bei Lehesten vor – erstmals öffentlich: Ein interessiertes und hoch sensibilisiertes Publikum folgte am vergangenen Samstag, dem 19. August, in der KZ-Gedenkstätte „Laura“ in Schmiedebach bei Lehesten einem Vortrag der Kulmbacher Lehramtsstudentin Lisa Hain. In ihrer Zulassungsarbeit bei Professor Bert Freyberger an der Universität Bamberg hatte sie sich mit den Außenlagern des Konzentrationslagers Flossenbürg und der dort heute gepflegten Erinnerungskultur auseinander gesetzt.
Martin Modes vom Presse- und Kulturamt des Landratsamtes erwähnte in seiner Begrüßung besonders, dass mit diesem Vortrag die Verbindung zur Universität Bamberg und Geschichtsdidaktikprofessor Bert Freyberger Früchte trägt. „Es ist erfreulich, dass Frau Hain ihren ersten öffentlichen Vortrag über dieses noch unbekannte Thema bei uns hält.“ Marcel Thoma, derzeit Betreuer der Gedenkstätte Laura, hatte den Vortrag organisiert.
Dieser wurde von den Zuhörern in der Gedenkstätte Laura mit größtem Interesse verfolgt, weil es in Schmiedebach schon seit Jahrzehnten eine lebendige Erinnerungskultur gibt, die ursprünglich schon elf Jahre nach der Befreiung des Lagers von der Schmiedebacher Bevölkerung ausging. Die Gedenkstättenarbeit wird von der Bevölkerung sowie den politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppierungen im Landkreis mit getragen, wobei auch die Aussöhnung mit ehemaligen Häftlingen immer im Vordergrund stand. Das heutige Dokumentationszentrum wurde vom Landkreis Saalfeld-Rudolstadt mit finanzieller Hilfe des Landes Thüringen ausgebaut. Ein modernes Ausstellungskonzept, Gedenkveranstaltungen, Gottesdienste und pädagogische Arbeit mit Schulklassen kennzeichnen die Erinnerungskultur heute.
Im Gegensatz dazu stehen die Befunde von Lisa Hain über die Erinnerungskultur in Oberfranken. Ihren Forschungen über die KZ-Außenlager in Gundelsdorf im Landkreis Kronach, Helmbrechts im Landkreis Hof, Hof-Moschendorf, Bayreuth, Pottenstein im Landkreis Bayreuth sowie im mittelfränkische Hersbruck/Happurg hat sie deshalb den Titel „Der Schein der Normalität“ gegeben hat. Über die Außenlager sei in den genannten Orten wenig bekannt gewesen, erst durch Initiativen junger Menschen in den 1980er Jahren, insbesondere der evangelischen Jugend, und einiger engagierter Bürger sei das wieder ins Bewusstsein gerufen worden. Dagegen sei dieses Interesse bei vielen Menschen in den ehemaligen Außenlager-Orten auf Desinteresse und Ablehnung gestoßen, berichtete sie. Zu den Menschen, die die Diskussion um die oberfränkischen KZ-Außenlager mit angestoßen haben, gehört der Bayreuther Journalist Peter Engelbrecht. Er hat Lisa Hain wichtiges Quellenmaterial zur Verfügung gestellt und gehörte am Samstag zu den Zuhörern. Engelbrecht kennt die Gedenkstätte Laura schon seit Beginn der 1990er Jahre. In eigenständigen Publikationen hat er die Geschichte entlang der innerdeutschen Grenze mit aufgearbeitet.
Lisa Hain kommt zu dem Urteil, „dass gerade die kleinen Außenlager in Vergessenheit gerieten und die Errichtung eines würdigen Gedenkortes dort bis heute schwierig ist.“ Neben den offensichtlichen Gründen, wie der Umnutzung oder sogar dem Abriss der für die Unterbringung genutzten Gebäude, einer schwierigen Quellenlage und Finanzierungsproblemen könne von einem bewussten Verdrängen gesprochen werden.
Positiv hob sie den vom bedeutenden Kronacher Bildhauer Heinrich Schreiber gestalteten Gedenkstein an der Straße zwischen Gundelsdorf und Knellendorf nahe Kronach hervor, der „recht gelungen ist“. Auch dieser sei zwar nicht am Originalort aufgestellt worden – aber immerhin an der Strecke, die die Häftlinge täglich auf dem Marsch zur Arbeit zurücklegen mussten.
In Pottenstein sei zwar ein Dokumentationszentrum in der ehemaligen Häftlingsunterkunft, der sogenannten Magerscheune, angedacht, der Zeitpunkt der Realisierung aber unsicher. Dort ist die Lagergeschichte eng mit dem Höhlenforscher, SS-Standartenführer und Jugendfreund Himmlers, Dr. Hans Brand, verbunden, in dessen Regie fast 700 Häftlinge eine Wasserübungsfläche, den heutigen Schöngrundsee, anlegen und die Teufelshöhle erschließen mussten. Beides sind heute wichtige touristische Anlaufpunkte. „Darüber erfährt man an diesen Orten als Besucher nichts und an die Existenz des Lagers erinnert eine unscheinbare Tafel auf dem Pottensteiner Friedhof“, so Lisa Hain.
Neben den offensichtlichen organisatorischen und finanziellen Gründen für die mangelnde Erinnerungsarbeit stieß Lisa Hain auf ein weiteres Problem: Die meisten Außenlager entsprächen eben nicht dem Bild von Konzentrationslagern, wie es im kollektiven Bewusstsein vorahnden ist. „Es sind oft auf Betriebsgeländen oder ähnlichem provisorisch eingerichtete Lager, die selten an die planvoll angelegten Barackenstädte der Hauptlager erinnern. Auch die Herkunft der Häftlinge kollidiert mit der landläufigen Vorstellung, dass vor allem Juden unter dem Naziregime litten. Diese waren jedoch in den betrachteten Außenlagern eher selten zu finden und somit sei eine Verbindung zum Holocaust nicht gegeben.“ Das relativ späte Einsetzen der Erinnerungsarbeit die Außenlager erklärte die Studentin mit einem Generationenwechsel vor allem nach 1968.
Die spannende Zulassungsarbeit soll in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift des Historischen Vereins für Oberfranken veröffentlicht werden, Auszüge daraus könnten demnächst auch in der Rudolstädter Heimatheften nachzulesen sein.
Der Vortrag wurde vom Ludwigsstädter Infokanal aufgezeichnet und wird in den Kabelnetzen von Ludwigsstadt und Probstzella ausgestrahlt.
Marcel Thoma, Gedenkstättenbetreuer
und Martin Modes, Presse- und Kulturamt
Im Bild: Marcel Thoma und Lisa Hain am Ende der Veranstaltung, als es eine rege Diskussion mit dem Publikum gab.