Saalfeld/Kronach. Als Landrat Marko Wolfram am Montagvormittag am Kronacher Bahnhof aus dem Auto steigt, fährt gerade ein Mini-Elektrobus ab. Das Besondere: der Shuttlebus rollt autonom durch die Altstadt. Er ist ein sichtbares Zeichen für neue Wege, die der fränkische Partnerlandkreis seit gut zwei Jahren beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)und Schülerbeförderung eingeschlagen hat.
Wolfram traf sich deshalb zum Erfahrungsaustausch mit seinem Kronacher Amtskollegen Klaus Löffler in der Mobilitätszentrale des Landkreises. Begleitet wurde der Landrat vom Geschäftsführer der KomBus GmbH, Dirk Bergner, dem Leiter Verkehr und Service, Mike Mackeldey, sowie Anja Richter von der Geschäftsstelle des Zweckverband ÖPNV Saale-Orla. Die Kronacher Regionalmanagerin Gabriele Riedel stellte den Umstrukturierungsprozess vor.
Seit dem 1. August 2020 hat der Landkreis im Rahmen eines bayerischen Modellprojektes seinen ÖPNV komplett neu aufgestellt. Schülerbeförderung, Rufbusse und Taktlinien werden jetzt in der Mobilitätszentrale im Bahnhofsgebäude organisiert und koordiniert. Fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr für Kunden da, samstags von 8 bis 12 Uhr. Nach diesen Zeiten werden Anrufe an die Konzessionäre geleitet, die den Rufbusverkehr bis 23 Uhr absichern. Zusätzlich zum direkten Kundenkontakt sind fünf Beschäftigte im Backoffice tätig.
„Die Zentrale ist unser Herzstück, hier können wir in Echtzeit sehen, wo sich jeder Bus gerade befindet und wohin er fährt“, erklärt Landrat Löffler. Neun Grundlinien wurden im Landkreis eingerichtet, dazu versorgen die Rufbusse drei ländliche Sektoren von den einzelnen Dörfern bis zu den Grundlinien. Sechs Fahrzeuge sind dazu von vier Standorten aus unterwegs. Für sie wurden neben den bestehenden Haltestellen 120 eigene Rufbushaltestellen geschaffen. Etwa ein Jahr hat es gedauert, bis das neue System richtig gut lief, berichtet Regionalmanagerin Riedel.
Inzwischen ist es etabliert, rund 1.000 Mal im Monat werden Rufbusse angefordert. Die Nachfrage zeige deutlicher als jede Umfrage, wo der eigentliche Transportbedarf besteht. Landrat Löffler versteht die neue Organisation als „atmendes System“. So können bei hoher Nachfrage neue Linien dazukommen – oder bei zu geringer Nachfrage eingestellt werden. Seit diesem Monat gibt es ein neues Angebot speziell für Jugendliche, das 50-50-Taxi. Hier übernimmt der Landkreis die Hälfte der Taxikosten für Jugendliche zwischen 16 und 27 Jahren, wenn zu später Stunde der Einsatz eines Busses unrentabel ist. „Nach den zwei Coronajahren wollen die jungen Leute auch mal wieder feiern, dafür brauchen wir ein Beförderungsangebot“, sagt Löffler.
Sein Saalfelder Amtskollege Marko Wolfram nutzte die Gelegenheit, um Anknüpfungsmöglichkeiten für Verbindungen von Lehesten etwa nach Steinbach am Wald auszuloten. „An mich wurde aus dieser Region der Wunsch für eine Busverbindung herangetragen, zum Einkaufen aber auch zum Arbeiten“, sagte Wolfram. Derzeit fährt KomBus von Bad Lobenstein nach Lehesten, dann geht es zurück nach Bad Lobenstein. „Statt in Lehesten Standzeiten zu haben, könnten wir nach Steinbach am Wald weiterfahren“, erklärt Dirk Bergner. Ob dann tatsächlich Fahrgäste die Verbindung auch nutzen, könne nur die Praxis zeigen, lauten die Kronacher Erfahrungen. Auch für die Einrichtung weiterer Rufbuslinien im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, im Schiefergebirge und im Schwarzatal, hatten die Kronacher eine klare Empfehlung: „Einfach ausprobieren!“
Zwei wichtige Erkenntnisse hätten sie aus den beiden Jahren mitgenommen: die Mundpropaganda bei neuen Angeboten sei unbezahlbar und bei den Rufbussen sei der persönliche Kontakt am Telefon entscheidend, weshalb auf eine Rufbus-App bisher verzichtet wird. „Sie können am Telefon das System erklären und bekommen noch eine direkte Rückmeldung von den Kunden“, fasst Löffler zusammen.
Peter Lahann
Presseamt