Saalfeld. Das Jugendamt des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt geht jährlich deutlich mehr als 200 Meldungen auf Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung nach. Die Meldungen haben in den vergangenen fünf Jahren erheblich zugenommen. Der Kinderschutz hat bei der Arbeit höchste Priorität. Der Umgang mit den teils erschütternden Fällen ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belastend. Eine öffentliche Information über Einzelfälle verstößt gegen die Rechte von Betroffenen und Angehörigen und könnte zudem laufende Ermittlungen erschweren.
Die Zahl der Meldungen zu Verdachtsfällen auf Kindeswohlgefährdung hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. Wurden 2017 beim Jugendamt 128 Verdachtsfälle gemeldet, waren es 2018 schon 144, im Folgejahr 218. Einen weiteren Anstieg verzeichnete das Jugendamt 2020 mit 283 Verdachtsfällen, 2021 waren es 282 und im abgelaufenen Jahr 2022 sogar 311. Im Januar 2023 ist die Zahl erneut sprunghaft auf bisher 49 Meldungen angestiegen. Zuvor waren es durchschnittlich 24 Fälle im Monat.
Meldungen gehen auf den unterschiedlichsten Wegen beim Jugendamt ein: per E-Mail, Telefon oder im direkten Gespräch. Darüber hinaus zieht die Polizei bei Einsätzen zu häuslicher Gewalt regelmäßig das Jugendamt hinzu, wenn Kinder im Haushalt leben.
Meist sind es Personen aus dem Umfeld der Kinder, die den Kontakt zum Jugendamt suchen, etwa Verwandte, Nachbarn, Kindergärtnerinnen oder Lehrer. Der Anstieg bei den Meldungen kann zum einen auf eine höhere Sensibilität zurückgeführt werden, zum anderen hat die Ausnahmesituation während der Corona-Pandemie vermehrt zu Konflikten in Familien geführt. Das Jugendamt geht jedem Hinweis nach. In vielen Fällen handelt es sich um Familien, die bereits in irgendeiner Weise in Kontakt mit dem Jugendamt stehen. Die Bandbreite von Meldungen reicht von mangelnder elterlicher Aufsichtspflicht über Verwahrlosung bis zu körperlicher Gewalt.
Die Interventionsmaßnahmen hängen von der vorgefundenen Situation ab. In einigen Fällen werden Kinder zu ihrem Schutz in akuten Konfliktsituationen kurzfristig in Obhut genommen und bis zu einer Beruhigung der Situation zum Beispiel in ausgebildeten Pflegefamilien im Landkreis untergebracht. In anderen Fällen ist eine dauerhafte Unterbringung außerhalb der Familie oder der alleinerziehenden Sorgeberechtigten notwendig.
Die Schwelle für eine dauerhafte Unterbringung außerhalb der Familie liegt sehr hoch. Die Entscheidung ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwierig. Der Schutz des Kindes hat oberste Priorität. Dennoch sind auch die Rechte der leiblichen Eltern zu berücksichtigen. Die Entscheidungen werden gerade bei Inobhutnahmen häufig in Frage gestellt und gerichtlich geprüft. Inobhutnahmen werden auch in Begleitung durch die Polizei durchgeführt, wenn bei den Sorgeberechtigten kein Einsehen in die Notwendigkeit der Maßnahme besteht.
Peter Lahann
Presse- und Kulturamt