Saalfeld. Im Rahmen der traditionellen Flurfahrt mit dem Kreisbauernverband besuchte Landrat Marko Wolfram am Montag verschiedene Standorte der Agrargenossenschaft Kamsdorf e.G.. Dirk Reichelt als Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Saalfeld-Rudolstadt und Steffen Obenauf, Aufsichtsratsvorsitzender der Agrargenossenschaft erwiesen sich als fachkundige Gastgeber. Vorgestellt wurden unter anderem Landfleischerei und Milchviehhaltung samt Melkroboter am Standort Oberwellenborn. Nach einem kurzen Zwischenstopp an der Schweinemastanlage in Röblitz ging es über den Bullenstall in Köditz über den Roten Berg mit den dortigen Ackerflächen zurück nach Kamsdorf.
„Die Trockenheit macht uns zu schaffen“, berichtet Reichelt und zeigt auf die mickrigen Maispflanzen entlang der B281. An vielen Stellen der Anbaufläche haben die Maiskörner im Boden wegen der Dürre gar nicht erst gekeimt. Nicht viel besser sehen die Fachleute die Lage beim Getreide – auch wenn die gelben Weizenfelder für den Laien gut aussehen. „Eigentlich müssten die jetzt noch grün sein, die Körner haben kaum Mehlkörper gebildet“, sagt Obenauf. Er rechnet nicht nur mit bis zu einem Drittel weniger Ertrag: „Das schlägt auch auf die Qualität durch.“
Dennoch steckt Reichelt nicht den Kopf in den Sand. Die Agrargenossenschaft, deren Geschäftsführer er im Hauptberuf ist, hat sich über die Jahre sehr breit aufgestellt, erzeugt Energie in der Biogasanlage und mit Photovoltaik auf praktisch jedem Dach, ist Direktvermarkter der eigenen Erzeugnisse und beliefert mit der eigenen Landfleischerei den Großhandel. „Wir haben schon 40.000 Bratwürste für ein Rammstein-Konzert produziert und liefern über den Handel bis nach Mallorca“, berichtet Reichelt stolz.
Zweimal pro Woche werden die eigenen geschlachteten Schweine nach Oberwellenborn geliefert und dort zerlegt. Dort wurde erheblich in moderne Technik investiert. „Abhängig von der Sorte stellen wir 400 bis 500 Kilogramm Wurst pro Stunde her“, erklärt Fleischereichef Andreas Taute. Neben dem Großhandel werden die Produkte über die eigenen Filialen vermarktet. Am 14. Juli kommt im neuen Marktkauf-Center in Saalfeld eine weitere dazu in der dann auch gekocht wird. Rund fünf Millionen Euro Umsatz macht die Landfleischerei im Jahr. Insgesamt 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen bei der Agrargenossenschaft mit ihren Ablegern in Lohn und Brot.
Gegen den Trend hat die Agrargenossenschaft auch die Milchviehbestände erhalten, trotz des niedrigen Milchpreises. Der liegt derzeit bei rund 50 Cent je Liter. Doch während man sich darüber vor zwei Jahren noch gefreut hätten, fressen jetzt die steigenden Dieselkosten die Marge wieder auf. Doch die 800 Milchkühe produzieren eben nicht nur Milch, sondern auch den Rohstoff für die Biogasanlage – und wertvollen Dünger. „Wir konnten unseren Düngemittelbedarf zu 60 Prozent durch die Kühe decken. So haben uns die explodierenden Düngerpreise nicht so stark getroffen“, sagt Reichelt.
Die Biogasanlage produziert ein Megawatt Strom im Jahr und versorgt in Oberwellenborn 70 Häuser mit der Abwärme. Wer sich vor gut zehn Jahren vor den Anschluss an das lokale Nahwärmenetz entschieden hat, kann sich angesichts der aktuellen Energiekrise entspannt zurücklehnen. Als Stromproduzent erzeugt die Agrargenossenschaft zudem 2,7 Megawatt durch Photovoltaik auf Ställen und anderen Gebäuden. Dazu bewirtschaftet sie 4,400 Hektar Agrarfläche rund um Kamsdorf bis Großgeschwenda. Außer den Rindern werden 1600 Schweine in der Zuchtanlage in Röblitz gehalten. „Daneben versuchen wir auch die Schweinehaltung auf Stroh mit Grünfutter. Es wird sich zeigen, ob die Verbraucher bereit sind, dafür entsprechend mehr zu bezahlen“, so der Geschäftsführer. Auf den Öko-Trend hat die Agrargenossenschaft mit einer weiteren Tochter, dem Biolandgut Kamsdorf reagiert. „Wir bewirtschaften einige Flächen, die ideal für die Mutterkuhhaltung auf der Weide geeignet sind“, sagt Reichelt.
Im Anschluss an die Betriebsbesichtigung schildern die Landwirte dem Landrat und dem zum Gespräch dazugestoßenen Saalfelder Bürgermeister Dr. Steffen Kania ihre Sorgen im Hinblick auf die Erreichbarkeit ihrer Flächen und den Transport der Ernte. Mit dem Ausbau der B281 rund um den Bahnübergang „Vogelschutz“ soll die neue Straße zur Kraftfahrstraße werden. Damit dürfte sie von den Traktoren nicht mehr genutzt werden. Das bedeutet lange Umwege auf schmalen Straßen und mitten durch die Stadt Saalfeld.
Wolfram und Dr. Kania versprachen, sich für eine entsprechende Ausnahmeregelung wenigstens während der Erntezeit einzusetzen. Wolfram dankte Reichelt und Obenauf für den informativen Einblick in ihre Arbeit. „Es ist wichtig, zu wissen, wo unsere Lebensmittel herkommen und welche die aktuellen Herausforderungen unserer Landwirtschaft sind. Die Agrargenossenschaft ist sein sehr gutes Beispiel für moderne Landwirtschaft und regionale Wirtschaftskreisläufe zur Versorgung der Menschen in der Region. Vor dieser Arbeit habe ich größten Respekt und wir sollten ihr höchste Wertschätzung entgegenbringen“, sagte Wolfram.
Peter Lahann
Presse- und Kulturamt