Unterwellenborn. Die Geschäftsführung des Stahlwerk Thüringen ist mittlerweile versiert darin, hochkarätigen Besuchern die Lage des Unternehmens zu schildern. Am Donnerstag besuchte die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz, gemeinsam mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Elisabeth Kaiser sowie der Landtagsabgeordneten Cornelia Klisch Unterwellenborn. Mit empfangen wurden sie durch Bürgermeisterin Andrea Wende und Landrat Marko Wolfram. Die Kernbotschaft der Stahlwerker: Stahl aus Unterwellenborn ist top, die CO2-Bilanz beim GreenSteel ist europaweit Spitze – und könnte wettbewerbsfähiger sein, wenn die Rahmenbedingungen besser und gerechter wären.
Diese Botschaft untermauerten die drei Prokuristen Alexander Stolze, Alexander Stiel und Frank Wagner den Besuchern mit Zahlen und Fakten. Die 760 Beschäftigten und 40 Auszubildenden produzieren aus 100 Prozent Schrott rund 770.000 Tonnen Stahl und erwirtschafteten damit zuletzt einen Jahresumsatz von rund 600 Millionen Euro. Die CO2 Emissionen liegen durch eine konsequente Umsetzung der Strategie zur Ressourceneffizienz und dem Elektro-Lichtbogenofen deutlich unter dem von Stahlwerken mit Hochofenroute.
Kopfzerbrechen bereitet dem Stahlwerk der hohe Strompreis. Rund 450 Gigawattstunden werden in Unterwellenborn im Jahr verbraucht. Bei einem Preis von 40 bis 50 Euro je Megawattstunden kann das Produkt wettbewerbsfähig hergestellt werden. Aktuell wird mit 80 bis 100 Euro gerechnet, unter anderem wegen der stark gestiegenen Netzentgelte. „Wir würden uns einen Industriestrompreis wünschen“, gibt der Leiter Einkauf und Lagerwirtschaft, Alexander Stolze, der Ministerin mit auf den Weg. Zudem sollte die Förderung im Rahmen des Klimatransformationsprozesses gerechter werden. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass Mittel aus dem Corona-Topf nicht in den Klimaschutz geschoben werden dürfen, wurden die Förderbedingungen zum Jahresende geändert. Steuergelder fließen deshalb nur noch dort, wo die Einsparung von CO2 besonders hoch ausfällt – also in die Stahlwerke mit besonders hohen Emissionen. Moderne Werke wie Unterwellenborn, die seit Jahren hohe Investitionen in die Senkung ihres Ausstoßes investiert haben, gehen im schlimmsten Fall leer aus. „Die Bewertungskriterien sind für Elektrostahlwerke nicht zu schaffen“, sagt Alexander Stier, Leiter Verkauf und Logistik.
Der in Brüssel beschlossene European Green Deal hat zudem die Vorgabe, die CO2-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent zu senken. Für Stahl hieße das eine Produktion von unter 50 Kilogramm CO2 je Tonne Stahl. Aktuell erreicht das Stahlwerk Thüringen einen Spitzenwert von 327 Kilogramm je Tonne Stahl. Doch beim „Grünen Stahl“ sind die Kosten höher und der Markt der Abnehmer klein. „Wir brauchen eine Förderung – entweder für den Anwender oder den Erzeuger“, so der Wunsch aus Unterwellenborn.
Ein Problem, das die Bundesbauministerin auf dem Radar hat. „Aktuell wird bei der Gebäudebewertung die CO2 Bilanz am Energieverbrauch gemessen“, erklärte Geywitz. Das führe dazu, dass unter anderem günstige Dämmplatten aus Erdölprodukten verbaut werden. Eine einfache und anwendbare Baustoffzertifizierung sei jedoch eine große Herausforderung. Von der wünschen sich die Stahlwerker auch die Möglichkeit, die im Produktionsprozess anfallende Schlacke als Ersatzbaustoff zu berücksichtigen und einzusetzen.
Dass sich die Unterwellenborner trotz widriger Rahmenbedingungen weiter den Herausforderung stellen, zeigte die Präsentation weiterer Projekte zur Verbesserung der Energiebilanz. So ist geplant die Verbrennungstechnik im Wiedererwärmungsofen im Walzwerk zu optimieren und wasserstofffähig (H2-ready) zu machen. Das könnte 60.000 Tonnen CO2 einsparen, so Stolze. Auch die Nutzung der Abwärme aus dem Produktionsprozess – immerhin 65 Gigawattstunden im Jahr - ist ein weiteres Projekt, das zusammen mit der TWS in Schwarza initiiert wurde. Schließlich wird auch der Einsatz von Strom aus Photovoltaik gemeinsam mit der Agrargenossenschaft Kamsdorf ins Auge gefasst.
Im anschließenden Rundgang ließen sich Bundesministerin, Staatssekretärin und die weiteren Besucher den Produktionsprozess vom Schmelzofen bis zur Walzstraße vorstellen.
Peter Lahann
Presse- und Kulturamt